„Leichtes und wohlfeiles Mittel gegen den Biß wüthender Hunde“

„Leichtes und wohlfeiles Mittel gegen den Biß wüthender Hunde“

 

Das „Magazin für Pharmacie“ als biedermeierliches Wissens-Kompendium nennt 1827 seltene Wildrosen auf Wieslocher Gemarkung – Kulturverein Johann Philipp Bronner plant Wiederansiedelung dieser Rosen

Von Karin Hirn

Was tun, wenn man von einem „tollwüthigen“Hund gebissen worden ist? Welche Apfelsorte ist die beste? Was blüht und wächst denn auf dem Wieslocher Gewann „Hässel“? Auf all diese unterschiedlichen Fragen weiß das „Magazin für Pharmacie und die dahin einschlagenden Wissenschaften“, herausgegeben von Dr. Ph. L. Geiger in Karlsruhe und erschienen 1827 ebenda in der Müllerschen Hofbuchhandlung, umfassende Antworten.

Früher war die Apotheke ein „Gesundheits-Krämerladen“

Der Band, der original im Internet als E-Book einsehbar ist, vereinigt viele verschiedene Aufsätze unterschiedlichster Pharmazeuten und Naturwissenschaftler aus dem ersten Viertel des 19. Jahrhunderts und zeigt, dass die Naturwissenschaften zu damaliger Zeit keineswegs denen heutiger Zeit entsprachen. Blättert der interessierte Leser den Band durch, so stößt er auf die verschiedensten Disziplinen: die Pharmazie, die Chemie, die Botanik, die Physik, die Biologie, die Mineralogie und „Nebengebiete“, die sich unter anderem mit Krötengift und dessen Wirkung oder der Blut-Sektion der gerichtlichen Anatomie beschäftigen.

Alles wichtige Informationen für die Ausbildung von „Apothekengehilfen“ und Pharmazeuten des frühen 19. Jahrhunderts, war doch damals die Apotheke eher eine Drogerie oder ein „Gesundheits-Krämerladen“, in der es vom Wurmmittel bis zu den Hilfsmitteln des Einkochens von Säften und Obst so ziemlich alles gab. „Interdisziplinär“ war damals das Schlagwort der in überschaubarem und bescheidenem Maße existenten und sich erst langsam entwickelnden Naturwissenschaft, die noch nicht in umfassende Einzeldisziplinen zersplittert war.

Ei und Eichenstaub gegen den „Biß tollwüthiger Hunde“

So widmet sich der Sammelband neben Ratschlägen, beispielsweise wie Chinin oder Indigo anzuwenden seien, auch dem Übel von Gallensteinen und dem Cholesterin. Die Aufsätze der verschiedenen „Naturwissenschaftler“ beschäftigen sich unter anderem auch mit Mineralquellen und der Höhlenforschung, hier besonders unter dem Aspekt prähistorischer Knochenfunde. So wird behauptet, man habe Tigerknochen in der „Baumannshöhle“ gefunden. Gegen den „Biß tollwüthiger Hunde“ verordnet der Apotheker 1827 als „leichtes und wohlfeiles Mittel“ übrigens Ei und Eichenstaub. Das Buch gibt nur bedingt Auskunft, ob die Wirkung dieses „Heilmittels“ einschlagender Natur war.

Kapitel über wildwachsende und kultivierbare Pflanzen um Heidelberg

Auch den Anwendungen und Fehlern bei Giftpflanzen ist ein Kapitel gewidmet. Der Autor Prof. Dierbach wendet sich in seinem umfassenden Bericht als Botaniker und Pharmakologe den wildwachsenden und kultivierbaren Pflanzen um Heidelberg zu. Er benennt und katalogisiert alles, was er dafür als Wert erachtet.

Angefangen bei den Kirsch-, Apfel- und Birnensorten, weiter beschreibend die Reinetten, die Schlehen und Zwetschen, gefolgt von den „nackenden Frühpfirsichen“. „Unter allen Obstsorten machen die Birnen am meisten Schwierigkeit.“ (S.7) Prof. Dierbach bückt sich auch herunter zu den kleinen Kräutern und Pflanzen am Boden, wie Weiderich und Euphorbia. Dabei gleitet sein beschreibender, botanischer Katalog in die Wissenschaftssprache des 18. Jahrhunderts ab, die Beschreibungen verfasst er in Latein.

Auf den Wieslocher Höhen eine Fülle an Wildrosen entdeckt

Von Heidelberg schweiftt er ab in Richtung Süden und gelangt so nach Wiesloch und damit auch besonders auf die Höhen und Hügel der „Hässel“ und des „Köpfles“. Die Gebiete waren um 1827 noch unberührtes Wüstungsgebiet des Bergbaus bzw. es wurde dort sogar noch der Bergbau betrieben. Die Gegend mit ihrer ganz besonderen Bodenbeschaffenheit und Schwermetallbelastung hatte eine Vegetation hervorgebracht, die für jeden Botaniker eine reiche Fundgrube gewesen sein musste.

So auch für Prof. Dierbach, der dort oben auf den Wieslocher Höhen eine Fülle verschiedenster Wildrosenarten identifizieren konnte. Keine leichte Arbeit für den „Wissenschaftler“, welcher die Rosenbestimmungsbücher von Séringe, Decandolle und Trattinick kannte: „Dennoch ist es eben nicht leicht, selbst im Besitze aller dieser Hülfsmittel, manche Rosenform sicher zu bestimmen; ich bin deshalb dem Herrn Kammerrath Waitz in Altenburg, der seit vielen Jahren die Rosen zu seinen Lieblingsstudien auswählte, besonderen Dank schuldig, indem er mir schon vor 6 Jahren die ihm aus der hiesigen Gegend zugeschickten Rosen zu bezeichnen die Güte hatte, und meine Sammlung bei seiner Anwesenheit dahier im Spätjahr 1825 nochmals durchsah, doch ist seitdem wieder einiges Neue hinzugekommen…“ (S. 11 – 12)

Auf den kalkhaltigen Hügeln um Wiesloch erblühte die „Rosa germanica Maerklin“ (Deutsche Rose)

Prof. Dierbach untersuchte demnach die „Wieslocher Hässel“ auf ihr Vorkommen von Wildrosen und wurde mehr als fündig. So identifizierte er die „Rosa hybrida Schleicher“ und die „Rosa gallica hybrida Gaudin“. „In collibus calcareis circa Nußloch, Wiesloch, Maischbach (…) in locis Iunio florens“ (S.61) . Auf den kalkhaltigen Hügeln um Nußloch, Wiesloch und Maisbach blühte meist im Juni die „Rosa germanica Maerklin“ (Deutsche Rose). Der folgte die „Rosa arvensis“, eine Kreuzung zwischen der „Rosa gallica“ und der „Dt. Rose“. Die „Gallica“ („Französische Rose“) idfentifizierte er auf Äckern um Schatthausen.

Er fand auch die selten vorkommende, im Unterholz wachsende „Rosa tomentosa Smith“, auch „Filzige Rose“ genannt, „…in silvis et ad sepes, sed var“ (S.62) Danach verzeichnete er die „Haarige Rose“, („Rosa villos L.“) und die „Wein- oder Rostrose“ („Rosa rubiginosa“). (S.63) Er fand ebenfalls die „Rosa sarmentacea Woods“, „circa Wiesloch rarius occurrit“, bei Wiesloch selten vorkommend, und Unterarten der „Hundsrose“ (Rosa caninae). Prof. Dierbach war auf seinen Rosenexkursionen auf den Wieslocher Höhen wohl in guter Gesellschaft, benannte er zu seiner Zeit doch zwei Wildrosearten aus dem hiesigen Raum nach den beiden Wieslocher Apothekern Märklin und Bronner. Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, dass er beide gut gekannt hatte.

„Maerklins Rose“

Die „Rosa Maerklini“ (Märklins Rose) war selten auf den Hügeln um Wiesloch, aber immerhin doch vorhanden – „In collibus circa Wiesloch rarissima“ (S. 63 – 64) Er beschreibt sie wie folgt: „…aculeis rectis, setis intermixtis, foliolis ovatis serratis glanduloso – rubiginosis, floribus subcorymbosis, tubis calcinis insediaris.“ Mit aufrechten Stacheln, dennoch durcheinander stehend, mit ovalen, gesägten, drüsigen Blättern – mit roten, gebogenen Blüten.

Prof. Dierbach erklärt weiter: „Speciosam dixi stirpem in honorem defuncti Maerklini, qui ante plurimos annos eius specinem voce R. pseydo-rubiginosa mecum communicavit, sed mutandum nomen erst ob Rosam pseydo-rubiginosam Léjeunii, quae nostra vix convenit.“ (S.63ff). Zu Ehren des Apothekers Märklin habe er diese Mutante der „Rosa rubiginosa“ („Weinrose“) auf dessen Namen getauft, da dieser vor Jahren mit ihm wegen dieser Spezies Kontakt aufgenommen und diese benannt habe. Ihr wirklicher Name sei aber „Rosa rubiginosa Léjeunii“.

Auch Bronner wurde eine Rose gewidmet

Diese Ehre sollte auch Johann Philipp Bronner zuteil werden, auch wenn der Botaniker dessen Vornamen nicht genau wusste: „Speciosam stirpem dixi in honorem D. Bronner pharmacopoei Wieslocensis, Botanici et Mineralogi pertissime, Rosarum cultoris strenui, qui et hanc speciem primus detexit.“ (S. 65 – 66) Dem Apotheker aus Wiesloch, diesem sehr erfahrenen Botaniker und Mineralogen Bronner, der diese Rosenart zuerst gefunden hatte, und dem tatkräftigen Rosenforscher und Kultivateur widme er seine Spezies, die in der Fachliteratur nun „Rosa canina Bronneri Waitz“ genannt werden solle.

„Ad saepe prope Wiesloch et Ladenburg, sed rara occurrit, Iunio florens.“ Selten komme sie vor, bei Wiesloch und bei Ladenburg habe er sie gefunden, im Juni blühend. Diese Unterart der „Rosa Canina“, der „Hundsrose“oder auch „gemeinen Heckenrose“, beschreibt der Forscher wie folgt: „Forte hybrida planta a Rosa rubiginosa et rosa canina, huius omnis habet caules et acules, ilius folia tubosque calcinos. Distinctissima autem nostra Rosae est Melonida oligosperma, contiret enim saepissime tantum semen unicum vel duo eaque justo majore. Forte sterilis et hybridorum more.“ „Bronner´s Rose“, eine Kreuzung zwischen „Wein-“ und „Zaunrose“, sah wie folgt aus:“ Caule ramisque armatis, aculeis maximis validis adunctis, foliis ovatis dense rubiginoso – grandulosis, floribundis corymboso umbellatis, confertis, tubis calcinis ovato – globosis hispidis, melonida oligosperma.“(S. 65 ff)

Wildrosensorte findet sich nicht mehr in Wiesloch

Die Mutante zwischen „Weinrose“ und „Hundsrose“, die „Rosa canina Bronneri“, mit ihren gekrümmten Stängel, deren Blütenblätter und Staubgefäße „beschuht“ waren, mit ihren Dornen und großen gekrümmten Stacheln, deren Blätter denen der Weinrose sehr ähnlich waren, die erhaben wuchs mit vielen Blütentrauben, diese wehrhafte, stachelige Wildrose gibt es in Wiesloch leider nicht mehr.

Kulturverein ist auf der Suche – Wiederansiedlung geplant

Der „Kulturverein Johann Philipp Bronner“ ist jedoch auf der Suche nach ihr. Unschätzbar ist dabei die Hilfe der Wildrosenspezialisten der „Gesellschaft Deutscher Rosenfreunde Baden-Baden“. Sollte man fündig werden, so wird sie mit Hilfe des Kulturvereins wieder nach Wiesloch zurückkehren.

Dies gilt auch für die „Rosa Maerklini“. Es ist geplant, beide Wildrosen dort wieder anzusiedeln, wo sie 1827 von dem Botaniker Prof. Dierbach gefunden wurden. Erste Planungen dazu laufen bereits.